26.04.2017

Ladungssicherung ist auch Gesundheits- und Lebensversicherung

Schreinerinnung informiert aus Erster Hand über Sicherheitsvorschriften im Straßenverkehr

Die Veranstalter und die Referenten eines hochinteressanten Abends v.l. Obermeister der Schreinerinnung Karl-Heinz Pledl und stellv. Rolf Jungmann, Geschäftsführerin Agnes Birnböck, die Referenten POMín Ramona Kreuzer, PHK Armin Bielmeier und Fahrlehrer Roland Obermeier

(Arnetsried) Schon in seiner Begrüßungsrede brachte es der Innungsobermeister der Schreinerinnung Regen, Karl-Heinz Pledl aus Viechtach auf den Punkt. „Wir sind Handwerker und keine Berufskraftfahrer. Wir wollen uns endlich von Experten informieren lassen, was jetzt beim Transport von Gütern Rechtslage ist, damit wir nicht weiter auf Gerüchte angewiesen sind!“ Deshalb luden die Regener Innung um ihren Obermeister und dessen Stellvertreter Rolf Jungmann aus Teisnach und der Geschäftsführerin Agnes Birnböck aus Regen drei Fachleute ein, die in knapp 4 Stunden sehr viel Detailwissen vermitteln konnten. Die lebhafte Diskussion und das volle Gastzimmer im Landgasthof Geiger bewiesen den Volltreffer der Veranstaltung. 
Roland Obermeier, Kraftverkehrsmeister und Fahrlehrer aus Viechtach, ging eingangs auf die Sozialvorschriften, insbesondere die Lenk- und Ruhezeiten ein, die durchaus auch für Beschäftigte und Fahrzeuge von Handwerksbetrieben gelten können. Dabei ist zu beachten, dass immer nur der gewerbliche (auf Gewinn erzielte) Zweck gemeint ist. Eine erste Unterscheidung gilt für Fahrzeuge, samt Anhänger,  mit einem ZGG (zulässigen Gesamtgewicht) von über 2,8 bis 3,5 Tonnen. Hier greift das deutsche Recht, wobei für die Aufzeichnungspflicht auch ein Fahrtenbuch möglich ist, wenn kein Kontrollgerät eingebaut ist. Verbindlich ist die echte Lenkzeitpause nach 4,5 Stunden von mindestens 45 Minuten. Die alte Regelung von 3 mal 15 Minuten gibt es nicht mehr, erklärte der Referent. Fahrzeuge über 3,5 Tonnen ZGG sind nach EU Recht zu bewerten und müssen ein Kontrollgerät eingebaut haben, das auch benutzen werden muss. Fahrzeuge über 7,5 Tonnen ZGG haben eine generelle Kontrollgerät-Pflicht. Für Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen ZGG gibt es allerdings Ausnahmen der Aufzeichnungspflicht. Dazu gehören nicht gewerbliche Tätigkeiten wie Hochwasser- oder sonst. humanitäre Hilfe, Spezialfahrzeug , Pannenhilfe bis 100 km Umkreis, Probefahrten, oder aber, wenn der Fahrer im Hauptberuf ein anderes Aufgabengebiet als das des Fahrers hat. Dabei handelt es sich um das für die Anwesenden interessante Handwerkerprivileg, das für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen ZGG keine Beschränkung und von 3,5 -7,5 Tonnen vor wenigen Jahren von 50 auf 100 Kilometer erweitert worden ist. Nach Meinung von Karl-Heinz Pledl wäre für die Handwerker im Bayerischen Wald eine Regelung von 200 km ideal gewesen, um auch die Großzentren München und Nürnberg damit erreichen zu können. Seine Berufskollegen bestätigten in der spontanen Diskussion durchaus den vorhanden und ärgerlichen Bürokratieaufwand. 
Obermeier ging anschließend auf die Bedienung des seit einigen Jahren gängigen digitalen Kontrollgerätes ein. Die sicherlich ausgereifte Technik lässt jegliche Fahrzeugbewegung nachvollziehen.  Die verpflichtende Fahrerkarte muss eingelegt sein, so dass bei möglichen Kontrollen in jedem Falle die vergangenen 28 Arbeitstage die Lenkzeiten des Fahrers nachvollzogen werden können. Je mehr Obermeier die Funktionsmöglichkeiten des Gerätes erklärte, wurde die Verunsicherung der anwesenden Handwerker nicht kleiner, was viele Nachfragen zeitigte. Tenor war, dass das Fahrpersonal der Handwerksbetriebe nicht, wie ein Berufskraftfahrer, ständig mit dem Gerät befasst ist und zudem die Fahrzeuge oft mit wechselnden Fahrern besetzt sind.  Damit müssen im Fahrzeug auch ständig die Fahrerkarten gewechselt werden. 
In einem Ausflug in die komplexe gewordene Welt der Fahrerlaubnisklassen, zeigte der Fahrlehrer schließlich auf, dass sehr viele Privilegien der älteren Führerscheine nicht auf jüngere Erteilungen übertragbar sind, so dass in vielen Fällen jeder Einzelfall geprüft werden muss. Das heiße Thema der Ladungssicherung erklärten PHK Armin Bielmeier und POMìn Ramona Kreuzer von der Verkehrspolizeiinspektion Deggendorf. Auslöser hierbei sind wohl die in den vergangen Jahren strenger gewordenen Kontrollen aufgrund auch schlimmer Unfälle mit Verletzten und Toten. Schon eingangs stellten die Polizisten klar, dass Ladungssicherung für alle Fahrzeuge, auch und insbesondere für Pkw's gilt. Grundregel ist, dass das Gewicht der Ladung alleine als Sicherung nicht ausreicht. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Reibwert, die Oberflächenbeschaffenheit der Ladung und der Ladefläche, so doziert PHK Bielmeier weiter. Darüber hinaus muss das Verhältnis von Reibungskraft und Gewicht berücksichtig werden. 
Damit die im Gesetz geforderten durchaus anspruchsvolle und eindeutigen Forderungen, „die Ladung darf auch bei Vollbremsung nicht verrutschen, umfallen, rollen oder fallen“, erfüllt werden können, stellten die Referenten einige Möglichkeiten der Sicherung vor. Zuvor definierten sie noch den Fahrer, den Belader und auch den Halter als die in erster Linie Verantwortlichen für die jeweilige Ladung.
Als wenig wirkungsvoll zeigt sich die kraftschlüssige Sicherung, das bloße Niederzurren der Ladung auf die Ladefläche, wobei ein flach liegender Gurt wenig Sicherungswirkung hat. Schon besser ist die formschlüssige Sicherung mit Ladungsanschlägen oder lückenloser Stauung der Ladung, die eine Eigendynamik bei schnellen Richtungsänderungen oder Bremsverzögerungen verhindern. Entscheidend ist jeweils eine richtige Verwendung der Zurrgurte, wobei dringendst die Zurrpunkte zu benutzen sind. Armin Bielmeier erklärte in einer Formel, dass das 0,8 Fache des Eigengewichtes nach vorne abgesichert werden muss, wobei bei einem durchschnittlichen Reibwert das 0,3 Fache abgezogen werden könne. Bei einer 10 Tonnen-Ladung müssen demnach 5 Tonnen nach vorne abgesichert werden. Einigen Fotos aus dramatischen Verkehrsunfällen verdeutlichen die Ausführungen der Polizeibeamten und zeigen eindrucksvoll, dass Ladungssicherung auch sehr eng mit Gesundheits- und Lebensversicherung verbunden ist. 
Innungsobermeister Karl-Heinz Pledl fasste in seinem Schlusswort die Stimmung der anwesenden Handwerker zusammen, wonach sicher sehr viele Fragen beantwortet werden konnten aber auch viele neue Herausforderungen auftauchten, die bisher gar nicht bekannt waren. Trotzdem wollen die Schreiner auch künftig am Ball bleiben.

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